Argentinien - Chile 97

Das Buch:
„Faszination in Südamerika“
erschienen: Dez. 2000

22 €
ISBN 3-929993-46-5

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Web:
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Höhenprofil der zurückgelegten Strecke

Im folgenden ein Auszug aus:

"Rad & Bike Südamerika", Reise – Know – How , 1998

Jens Ulrich Groß und Lutz Gebhardt waren im Januar/Februar 1997 vier Wochen mit dem Fahrrad in Südamerika unterwegs und haben bei ihrer Ost-West-Durchquerung insgesamt 2050 km zurückgelegt. Nach ein paar Kilometern im Umfeld von Buenos Aires, und einer Busfahrt nach Cordoba fuhren sie auf folgender Strecke:

Cordoba - Villa Dolores - Bajo Hondo - Chepes - San Juan - Calingasta - Barreal - Uspallata - Mendoza - Uspallata - Paso Bermejo - Los Andes - Cabildo - La Ligua - Zapallar - Valparaiso - Villa Alemana - Limache - Tiltil - Santiago de Chile

Vom spannendsten Teil der Reise berichtet der folgende Beitrag.

 

Lutz Gebhardt

Mit den Fahrrad in den Anden

(.... San Juan - Callingasta - Uspallata - Mendoza - Uspallata - Paso Bermejo .... )

Seit Tagen fiebern wir den Anden entgegen, nun, da San Juan seit einigen Stunden in unserem Rück liegt ist es nicht mehr weit. Anfangs sind es einfache Berge zwischen denen sich ein mehr oder weniger breites Tal mit einer Asphaltstraße windet. Dann werden die Berge höher und die Straße schlechter. Ein Schild läßt uns erahnen, daß die weitere Strecke etwas schmaler wird. Hier herrscht Einbahnstraßenverkehr!. Von .... bis ... ist die Richtung von San Juan nach Calingasta freigegeben. Von .... bis ... kommt der Gegenverkehr angerollt. In den Nachtstunden - da soll man eben aufpassen und vorsichtig fahren. LKW- Wracks am Fuße von über 100 Meter hohen Steilwänden belegen, daß nicht jeder hier die Kurve kriegt. Radfahren am Tage ist allerdings nicht so gefährlich. Der Verkehr ist hier so spärlich, daß man mit dem Rad ohne großes Risiko auch gegen die offiziellen Festlegungen fahren kann. Die Landschaft ist gigantisch. Hohe Bergwände ragen beidseitig der Schlucht empor, die der Rio San Juan hier ins Gestein gegraben hat. Ein kleiner Paß führt uns an die 300 Meter in die Höhe und erlaubt uns phantastische Ausblicke. Unscheinbar klein leuchtet tief zu unseren Füßen das braune Band des Rio San Juan. Gegenüber fließen gewaltige Geröllströme von Verwitterungsgestein die Bergflanken hinab. Die Vegetation ist mager. Außer Kakteen ist nur in unmittelbarer Ufernähe noch wohltuendes Grün von Gras und Sträuchern zu sehen. Vor uns öffnet sich bald das weite Calingastatal, das uns erstmalig den Blick auf den weiß gekrönten Andenhaupkamm frei gibt. Hier tummeln sich Pferde und Ziegen in einer üppigen Graslandschaft des Hochgebirgstal.

Bald ist die Kleinstadt Calingasta erreicht, in der emsiges Treiben herrscht. Wir können uns mit allem Notwendigen versorgen, sogar das Campinggas ist kein Problem. Am nächsten Morgen folgen wir der Straße die sich westlich des Flusses durch das Hügelland windet. Das ist zwar die anstrengendere, aber auch schönere Variante. Immer wieder können wir von den Kuppen herrliche Ausblicke auf die Cordilliera de Ansilta und den von Pappeln gesäumten Flußlauf genießen. Bald fahren wir dann auch durch Ortschaften, von deren Existenz uns unsere Karte nichts verriet. Vor Barreal tauchen wir in den Schatten langer Pappelalleen wo sich schon gemütlich radeln läßt bevor wir die in Grün gebettete Ortschaft erreichen.

"Uspallata 109 km" - dieses Schild hinter dem letzten Haus reißt uns aus dem gemütlichen Trott der letzten Kilometer. Vor uns verliert sich die leicht ansteigende Asphaltpiste im Dunst der flimmernde Mittagshitze, die uns wie ein Hammer entgegen schlägt. Kein Baum, kein grüner Busch ist in dieser Richtung, die die unsere ist - zu sehen. Nur mickriges bis kniehohes Gesträuch ist auf den monoton endlos scheinenden Geröllflächen verstreut. Was werden uns diese Kilometer bescheren. Noch können wir uns mit einen Wasserschlauch Arme, Beine und Gesicht abspritzen, Trinkflaschen füllen. Doch nach wenigen Kilometern werden auch die in Wasser getauchten Mützen knochentrocken sein, wo werden wir neue Erfrischung finden?

Fast unmerklich aber ständig steigt die Straße an und läßt unsere Beine Stunde um Stunde schwerer werden. Auch die Rast an einem halb verlassenen Hof (es sollte der Einzige auf der ganzen Strecke bleiben) bringt nur für kurze Zeit neuen Elan. Ein leichtes, immer stärker auffrischendes Lüftchen, das dort her kommt, wo wir hin wollen, läßt unsere Geschwindigkeit immer weiter sinken. "Komm Jens - wir machen eine Pause! Das hat doch keinen Zweck, wenn wir jetzt mit 13/14 km/h hier lang strampeln. Gegen Abend radelt es sich sicher wieder besser." Mein Vorschlag findet ungeteiltes Echo, doch nach einiger Zeit müssen wir erkennen, das sich der Wind anders entwickelt als wir dachten. Kräftige Sturmböen blasen uns Sand ins Gesicht und lassen die Gedanken an eine Weiterfahrt schnell verfliegen. Als auch mit Sonnenuntergang ehr das Gegenteil einer Wetterberuhigung zu verzeichnen ist, beginnen wir Steine zu suchen, um unser Zelt für die Nacht zu sichern. Schon unsere ersten zaghaften Versuche zeigen uns schnell wie niedlich die Erdnägel im Vergleich zu dem kräftigen Sturm sind. Erst als wir fast alle Packtaschen im Zelt haben können wir es am Wegfliegen hindern und einigermaßen am Boden halten. Fast ein Zentner Steine sichert dann alle Schnüre und wir können nur noch hoffen das der Zeltstoff nicht zerfetzt, während wir versuchen trotz der laut knatternden Zeltplanen Schlaf zu finden.

Bei nur noch leichten Wind fahren wir am nächsten Morgen durch ein sehr breites, unendlich weites Hochgebirgstal. Es scheint in den vergangenen Jahrtausenden förmlich ertrunken in dem Gesteinsschutt der verwitternden Gebirgskämme, die heute nur noch in großer Entfernung am Rand emporragen. Exakt 40 km hinter Barreal ist die Provinzgrenze und das Ende der Asphaltstrecke erreicht. Auf der nun beginnenden Schotterpiste zieht ein einsames Fahrzeug fast eine halbe Stunde lang eine kilometerlange Staubwolke hinter sich her, die den weiteren Verlauf unseres Weges markiert. Stundenlang fahren wir durch die kolossale Monotonie, wo ein zischender Plattfuß fast ein willkommene Abwechslung ist und die schnurgerade Piste an ihrem scheinbaren Ende einen kleinen Knick beschreibt um sich danach wieder in der Ferne zu verlieren. Die anschließende Abfahrt nach Uspallata ist kein besonderer Genuß, da selbst die breiten Reifen unserer MTB in den häufig losen Geröllabschnitten stecken zu bleiben drohen.

In den betriebsamen Örtchen, das vor allem in den Ohren der Bergsteigerfreeks einen besonderen Klang hat, buhlen Gaststätten um die Gunst potentieller Gäste. Da es hier nicht das heiß ersehnte "grilled Asado" gibt, begnügen wir uns mit dem was im Lebensmittelladen feil geboten wird. Frisch gestärkt bepinseln wir ‘zig Ansichtskarten, um unser Lieben daheim mitzuteilen, das es uns "saugut" geht und unser Tatendrang ungebrochen ist. Doch wie weiter? Geplant war eine Runde Uspallata - Mendoza- Uspallata. Über die Panamerikana in die argentinische Weinmetropole hinab und dann über Villavicencio und den 3000 m hohen Paso Cruz de Paramillo zurück. Doch bereits in Calingasta erzählte man uns, das die Straße über Villavicencio gesperrt sei. Das Ergebnis der Nachfrage in den beiden Touristenbüros Uspallatas, ob die Strecke wenigstens mit dem Fahrrad passierbar ist, war deprimierend. "Oh nein - das geht auf gar keinen Fall. In der letzten Zeit hat es hier viel geregnet und die Straße wurde an mehreren Stellen verschüttet oder weggespült." entgegnet uns die attraktive Argentinierin, die wohl wenig Verständnis für unsere Pläne hat. Betreten sehen wir uns an. Was sollen wir nun tun?

Auf der Hauptstraße nach Mendoza und den gleichen Weg wieder zurück? So schön kann Mendoza gar nicht sein. Gleich weiter nach Chile? Dafür ist es noch zu früh. Wir sind erst 14 Tage unterwegs und hinter den Anden ist es bis Santiago nicht mehr weit. "Mensch Lutz, vielleicht haben die hier nur die Anweisung zu sagen die Straße ist total gesperrt, aber das gilt vielleicht nur für Autos und mit dem Fahrrad geht´s evtl. doch" sät Jens ein Samenkorn der Hoffnung. "Wir haben doch Zeit, wir könnten es doch probieren." "Und was ist wenn nicht? Dann sind wir wohl die ersten Beknackten die sich nur wegen einen in der Literatur vielgerühmten Ausblick auf den Andenhauptkamm mit dem Fahrrad auf eine 3000er Paß quälen, um denn die gleiche Strecke wieder zurück zu rollen." Wir vertagen das Problem auf den nächsten Morgen und jeder schläft mit seinen Gedanken ein. Keiner nimmt das kratzende Geräusch am Zeltboden ernst, das mal von dieser Ecke und dann von der anderen Seite zu kommen scheint. Erst am Morgen werden wir gewahr, daß einige Skorpione an unserer Behausung nagten.

Trotz aller Warnungen und einem großen "Sperrschild" starten wir auf der Nordroute (die fälschlicherweise in den meisten Karten als die Hauptverbindung eingezeichnet ist) von Uspallata nach Mendoza. Unsere Gedanken drehen sich nur um eines: "Werden wir hier durch kommen, oder ist die Straße auch für Fahrräder unpassierbar." Auf der asphaltierten Straße verlassen wir schnell die grünen Pappelalleen Uspallatas Langsam steigt die Straße zwischen kargen Berghängen, die in vielen Farbschattierungen leuchten empor. Mit jeden Meter Höhe ändert sich bietet sich eine neue Aussicht auf die beeindruckende Bergwelt. Nach ca. 10 km weicht der Asphalt unter unseren Reifen einer mehr oder weniger guten Schotterpiste. Wir haben schon fast 2500 Meter Höhe erreicht, als uns ein kleines Auto entgegen kommt. Wir stoppen den Fahrer und überschütten ihn mit einer Flut von Fragen, die sicher kaum zu verstehen ist, und sprechen zusätzlich mit Händen und Füßen. Doch auch uns kommt nur ein spanischen Wortschwall entgegen, aus dem wir dann ganz deutlich die Worte "Si, Si, Mendoza." heraus hören können. Freudig liegen wir uns in den Armen - die Straße ist passierbar - wir müssen nicht wieder umkehren. Mit neuen Elan bewältigen wir die restlichen 500 Höhenmeter. Am Paso Cruz de Paramillo (3020 m) genießen wir die herrliche Aussicht auf den schneebedeckten Andenhauptkamm mit seinen höchsten Gipfeln, den Aconcagua und Mercedario. Der Tupungato ist im Gegensatz zu den Aussagen einiger Reiseführer von hier nicht zu sehen, eine leichte Erhebung versperrt die Sicht in diese Richtung.

Nur für kurze Zeit können wir die Abfahrt bei gemächlichen Gefälle genießen, dann ähnelt die Piste immer mehr einem ausgetrocknetem Flußbett. Unsere Räder versinken immer wieder in 10-15 cm dicken lockeren Geröllschichten. Es ist kein Weiterkommen, selbst schieben ist eine Qual. Zum Glück hält sich die Länge dieses Abschnittes in Grenzen und die Räder rollen wieder freier durch welliges Profil. Dann wird vor uns der Blick frei auf die fast 2500 Meter tiefer liegende Ebene von Mendoza. Dazwischen liegen über 360 Serpentinen, die sich durch eine beeindruckende Berglandschaft winden. Das Kurhotel im 1700 Meter hoch gelegenen Mineralwasserort Villavicencio ist schon seit einiger Zeit nicht mehr in Betrieb, aber ein Restaurant lädt zum Verweilen ein. Als viel schöner empfinden wir, daß ab hier die Straße wieder asphaltiert ist, auf der wir nun mit rekordverdächtigem Tempo in die Ebene sausen.

In Mendoza (600 ) bekommen wir nun endlich unser "grilled Asado", das in der Vorstadt sogar recht preiswert ist. Für unser Drei-Gänge-Menue mit einer Flasche Wein zahlen wir 26 Dollar/Peso für zwei Personen. Am Spätnachmittag verlassen wir die Millionenstadt und suchen uns außerhalb ein Plätzchen fürs Zelt. Am Morgen starten wir zeitig und fahren auf der großen Magistrale wieder zurück nach Uspallata. Die Belästigung durch den Verkehr hätten wir uns schlimmer vorgestellt. In der Regel werden wir als Verkehrsteilnehmer respektiert, lediglich ein, zwei Busfahrer überholen etwas knapp. Die zu Beginn unseres Jahrhunderts ebenfalls durch das Rio Mendoza-Tal gebaute Schmalspurbahn, die auch noch in allen Karten verzeichnet ist, hat ihren Betrieb leider 1980 eingestellt. In Uspallata (1800) stärken wir uns noch einmal kräftig, um dann dem Fleischland Argentinien den Rücken zu kehren. Vor uns liegt der schwerste Abschnitt unserer Reise.

Verschwindend klein wirkt die breite Straße, die sich vor uns in der gigantischen Felskulisse verliert. Busse und Trucks wirken wie aus der Spielzeugkiste. Hier treffen wir erstmals auf das Panamerikana Straßenschild. Leider geht es nicht immer kontinuierlich nach oben. Kleine Abfahrten bescheren uns zwar kurzzeitige Erholung, aber diese "verlorenen" Höhenmeter müssen später wieder von neuen erobert werden. Je weiter wir in die Bergwelt eindringen, um so kälter und dünner wird die Luft. Die kalten Fallwinde stemmen sich uns nun mit immer mehr Wucht entgegen. Hinter dem großen LKW-Rastplatz von Punta de Vacas gibt das lange Tal des Rio Tupungato den Blick auf den weißen Gipfel des 6570 m hohen Tupungato frei. Im Wintersportort Los Penitentes haben wir schon 2580 m Höhe. An unseren Tagesziel Puente del Inca bleibt der Höhenmesser auf 2700 m stehen. Klimatisierte Busse spucken kamerabewaffnete Menschenmassen aus, die die 28 Meter breite Naturbrücke, die in allen denkbaren gelb-ocker-rost-Tönen schillert, abzulichten. Auch uns beeindruckt das Gebilde, das von stark schwefelhaltigen heißen Quellen so wunderschön eingefärbt wurde. Doch der Trubel ist uns erst einmal zu viel. Im Windschatten eines großen Felsblockes erholen wir uns vorerst von den Anstrengungen des Tages und besichtigen unsererseits die heiße Quelle mit ihrem ehemaligem Badehaus als der Trubel abgeklungen ist. In Puente del Inca hat sich gegen Abend ein kleines munteres Häufchen von Bergsteigern angesammelt, die sich gleich uns um die wenigen etwas windgeschützten Zeltplätze drängen. In der Dämmerung nehmen wir noch ein Bad. Das heiße Wasser der Schwefelquelle läuft wie eh und je durch das Becken des halb verfallenen Badehauses.

Als wir uns mit dem Hellwerden aus den Schlafsäcken schälen, ist es bitter kalt. Erst ein heißer Tee bringt uns wieder in Schwung. Es dauert seine Zeit ehe das ganze Gepäck auf den Rädern verstaut ist. Wieder auf der Straße kommen wir nur langsam in Tritt. Doch schon nach wenigen Kilometern stoppt uns die moderne Grenzstation. Dort knallen ein paar Stempel in unseren Paß. Bürokratisch gesehen sind wir schon aus Argentinien ausgereist. Ein Blick voraus, auf die gezackten Gipfel des Andenhauptkammes belehren uns jedoch eines anderen! Also weiter tüchtig in die Pedale getreten. Wir sind noch nicht wieder richtig in Schwung gekommen, da kommt der lang ersehnte Augenblick. Rechter Hand öffnet sich das Tal und unser Blick fällt auf eine schnee- und eisdurchsetzte, steile Felsflanke - der Aconcagua - der höchste Berg Amerikas. Knapp 500 Meter weiter zweigt eine Schotterpiste zum Nationalpark Aconcagua ab. Nach zwei Kilometern ist das Nationalparkbüro erreicht, von wo es nur noch zu Fuß weiter geht. Leider ist hier keine Lebensmittelversorgung mehr möglich und unsere Vorräte reichen nicht für eine längere Wandertour. Wir entschließen uns deshalb nur für einen kleinen Ausflug, damit wir noch am gleichen Tag die Grenze nach Chile passieren können. Eine gute Stunde lang laufen wir, vorbei am leuchtenden Laguna Hermoso der gigantischen Felswand entgegen. Hätten wir doch nur noch ein bißchen mehr Zeit! So können wir nur noch ein paar sehnsuchtsvolle Blicke auf das Traumziel vieler Bergsteiger werfen. "No climbing, ... working" diese Worte eines Australiers, mit dem wir in Mendoza gefrühstückt haben, gehen mir durch den Kopf, als wir schon längst auf den Rückweg zur Straße sind.

Gegen 13.00 Uhr haben wir Las Cuevas, die letzte argentinische Ortschaft, in 3150 Meter Höhe erreicht. Trotz Sonnenschein frieren wir im eiskalten Wind, der sich schon den ganzen Tag uns mit Macht entgegen stemmt. In einer Gaststätte suchen wir Unterschlupf und eine kräftige Stärkung für den nächsten Abschnitt. Es ist zwar höchstens nur noch ein Kilometer bis zum Tunnel der das letzte Stück der Anden durchbohrt. Für Radfahrer ist die Durchfahrt verboten und auch wenig ratsam. Das ist im allgemeinen kein Problem, da für Radfahrer die Tunnel-Posten Lkws anhalten, auf denen sie sicher auf die andere Andenseite kommen. Wir hatten uns allerdings vorgenommen auf der alten Paßstraße über den Bermejo-Paß nach Chile zu gelangen.

Schon die letzten Kilometer vor Las Cuevas konnten wir zu unserer Linken an einer riesigen Bergflanke eine zarte Zickzacklinie erkennen. Als wir dann auch noch bemerkten, daß sich vereinzelt weiße, rote und blaue Punkte an dieser Linie nach oben und unten bewegten wußten wir: das sind PKWs auf der alten Paßstraße, die zum Denkmal "Christo Retendor" führt. Nun sitzen wir hier bei Schnitzel mit Pommes und wissen nicht ob wir den Übergang wagen sollen und die Strecke halbwegs passierbar ist. In der Tourist-Info von Mendoza hatte man uns eindringlich gewarnt. Der Bermejo-Paß wäre auf chilenischer Seite nicht befahrbar und der Grenzübergang an dieser Stelle illegal. Ein Reisehandbuch Chile sprach dagegen von der Befahrbarkeit in den Sommermonaten! Unsere letzten Zweifel verfliegen, als wir einen Schweizer Radfahrer treffen, der gerade aus Chile kommt und sicher ist, daß man mit dem MTB die Strecke passieren kann.

Vor uns liegt eine Schotterpiste, 7 bis 8 km Wegstrecke und scheinbar unendliche 700 Höhenmeter, die sich gar nicht so schlimm anhören, wenn man dabei nicht auf den steilen rotbraunen Berghang sieht, der vor uns in die Höhe ragt.

Durch das Torhaus von Las Cuevas blähst der berühmt-berüchtigte scharfe kalte Fallwind der Anden. Nun steht jeder für sich allein. Im Kampf gegen den Berg muß man nun seinen eigenen Rhythmus finden. Ich versuche es mit kontinuierlicher, aber kleiner Geschwindigkeit und wenigen Pausen, Jens fährt etwas schneller hält dafür öfter an. Als wir auf halber Strecke eine gemeinsame Pause mit Nüssen und Traubenzucker machen, blicken wir auf das weit unter uns liegende Las Cuevas. Häuser, schwere Sattelschlepper, alles erscheint unwirklich klein. Gegenüber ragt ein vereister Felsgipfel in die Höhe an dem sich die Sonne in einem Glitzerreigen spiegelt. Schön sieht man von hier auf die Schlängellinie der Schotterpiste herab, die sich in unzähligen Kurven zu uns herauf windet. Vor uns ist das Ende noch nicht zu sehen. Mit magischen Kräften zieht mich der "Bermejo" an. Wie weit ist es noch nach oben? Kann man den Paß wenigstens bald sehen? Wie wird es auf der anderen Seite weiter gehen, wo wir mit unseren schwerbeladenen Räder nach Chile wollen. Nun hält mich nichts mehr - weiter, weiter, die Neugier auf das Kommende ist grenzenlos. Der eiskalte Wind läßt mich bis ins Mark frieren, doch eine Pause um die winddichte Jacke überzuziehen gönne ich mir nicht. Sicher radele ich so auch an manchen interessanten Fotomotiv vorbei, doch der Drang nach oben ist größer. Als an einer Serpentinenkurve mir der Wind mit besonderer Wucht entgegen schlägt, steht das heiß ersehnte Schild "Bienvenidos al Monumento Cristo Redentor" plötzlich fast greifbar vor mir. Ein Schauer fährt mir durch die Glieder, der Tacho springt gleich ein paar km/h nach oben und nach einigen kräftigen Tritten ist es geschafft. Der 3854 Meter hohe Paso Bermejo ist erreicht! Wir haben es geschafft.

 

Auf dem Bermejo-Paß zwischen Argeninien und Chile

 

Foto: Jens-U. Groß

Nur undeutlich heben sich auf chilenischer Seite die ins Tal führenden Serpentinen von dem Verwitterungsgestein der Berghänge ab. Überall liegen Gesteinsbrocken ´rum. Bomben die man vor rund 20 Jahren bei einem Grenzkonflikt hier abgeworfen hat, rissen Krater in die Straße. Wir umfahren in Schlängelinien solche Hindernisse. Ein Auto hat hier seit zwanzig Jahren keine Chance mehr! Als dann die Straße an zwei Stellen fast vollständig verschüttet ist, müssen auch wir aus dem Sattel und unsere Räder teilweise tragen. Als wir wieder auf der asphaltierten Straße stehen ist der Weg, auf dem wir nach Chile gelangt sind kaum zu erkennen.

Spät am Abend erreichen wir den Wintersportort Portillo. Kurz zuvor bekamen wir an der Grenzstation noch unseren Einreisestempel in die Papiere gedrückt. Nur mit Mühe finden wir einen halbwegs geeigneten Platz zum Zelten. Am nächsten Morgen geht es über zwei faszinierende Serpentinenabschnitte ins Aconcaguatal hinab. Ohne Wehmut können wir beobachten wie sich schwere Lastzüge durch die engen Kurven quälen. Wir können lachen, für uns geht´s bergab. Immer wieder halten wir an um die einzigartige Landschaft zugenießen. Als die Steilabschnitte hinter uns liegen, lassen wir die Bremsen los und genießen den warmen Fahrtwind um die Nase in einer wieder grüner werdenden Landschaft.

Lutz Gebhardt

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