Araukanien: Blaue Seen
und weiße Vulkane
Eine
Fahrradtour durch das Chilenisch-Argentinische Seengebiet
Wenig
einladende 15 °C und ein verhangener Himmel empfangen uns Anfang November 2000
in Temuco, dem Ausgangspunkt unserer dreiwöchigen Tour. Es ist Frühjahr auf der
südlichen Halbkugel. Die Umgebung ist sattgrün und von Landwirtschaft geprägt.
Unendliche Stacheldrahtzäune zu beiden Seiten der Straßen und Pisten markieren
den Besitz der kleinen Bauern und der größeren Haziendas. Nach gut 100
Kilometern ist das Seengebiet erreicht. Chilenische Schweiz nennt man diesen
Flecken, der sich in den letzten Jahren zur vielbesuchten Urlauberregion des
Landes entwickelt hat. Im Januar und Februar, dem südlichen Sommer, bekommt man
hier vor lauter Menschen kaum den Fuß auf den Boden, aber jetzt ist noch alles
ruhig im sonst so quirligen Pucón. Unser Dreierteam, zu dem auch ein Tandem mit
Anhänger gehört, erregt die Aufmerksamkeit der Einwohner und Touristen.
Der
Villarrica, ein tätiger Vulkan, ist der erste Höhepunkt unserer Reise.
Gemeinsam mit 30 Touristen aus aller Welt erreichen wir nach
fünfeinhalbstündigem Aufstieg durch Schnee und Eis den 2840 Meter hohen Gipfel
und wagen ehrfurchtsvoll den Blick in den dunklen rauchenden Krater. Im Nationalpark
Lanin sehen wir neben anderen uralten Baumriesen die ersten Araukarienwälder,
die in den Höhenlagen der Anden prächtig gedeihen.
Viermal
überqueren wir die Grenze zwischen Chile und Argentinien und damit auch die
Anden, die hier bis 3700 Meter hoch sind. Der Verkehr ist in den einsamen
Höhenlagen gering, die Straßen sind meist nur geschottert. Im argentinischen
San Martin de los Andes müssen wir einen Tag pausieren, weil unerwartet der
Winter zurückkehrt und die umgebenden Berge in eine tiefe weiße Pracht hüllen.
Zurück
in Chile werden wir von strahlendem Sonnenschein verwöhnt. Tiefblaue Seen,
überragt von ebenmäßigen weißen Vulkankegeln und umrahmt von sattgelben
Ginsterhecken sowie rotblühenden Bäumen sind in ihrer Schönheit kaum zu übertreffen.
Ebenso beeindruckend ist der immergrüne, kalte Regenwald im Nationalpark
Puyehue. Mit über 4000 mm Niederschlag im Jahr befinden wir uns in einer der
feuchtesten Gegenden der Erde. Hier wuchert ein faszinierender Urwald. Mehrere
Meter hoher Bambus und Vogelspinnen verstärken den Eindruck von Exotik. Der
riesige Lago Nahuel Huapi und die argentinische Ferienmetropole San Carlos de
Bariloche liegen bereits hinter uns, als wir unseren Weg nur noch auf dem
Wasser fortsetzen können. Über drei Seen, die durch unbefestigte Geröllpisten
verbunden sind, überqueren wir zum vierten Mal die Anden.
Nach
1090 Kilometern und 12.800 Höhenmetern erreichen wir die chilenische Hafenstadt
Puerto Montt. Wieder heißt es Abschied zu nehmen von diesem faszinierenden
Kontinent, für den bereits unsere nächsten Radtourenpläne Gestalt annehmen.
Dr.
Lutz Gebhardt, Ilmenau